Gewusst wie: Berechnung des prospektiven Kurzschlussstroms
Bevor wir loslegen, wollen wir klarstellen, dass es in diesem Artikel um Elektrotechnik und nicht um Elektronik geht. Wenn also von einem „Stromkreis“ die Rede ist, ist keine Schaltung, sondern ein elektrisches Leitungsnetz gemeint, das Lampen, Schalter, Steckdosen und Maschinen einschließlich aller Verkabelungen miteinander verbindet.
Was ist der prospektive Kurzschlussstrom?
Der prospektive Kurzschlussstrom ist der maximale Strom, der durch einen kurzgeschlossenen Stromkreis fließen kann. Er folgt, wie jeder Strom, dem Ohmschen Gesetz. Daher bestimmen die Spannung des Stromnetzes und seine Impedanz zusammen den prospektiven Kurzschlussstrom.
Warum sollte ich das wissen?
Sie benötigen den Wert des prospektiven Kurzschlussstroms, damit ein von Ihnen gewählter Leitungsschutzschalter die elektrische Installation wirksam schützt. Solche Schutzeinrichtungen müssen in der Lage sein, dem Kurzschlussstrom zu widerstehen. Ist nämlich das Schaltvermögen oder die Abschaltleistung des Schutzschalters zu gering, kann der hohe Strom einen Lichtbogen verursachen und/oder den Schutzschalter beschädigen (Bild 1). In beiden Fällen funktioniert die Schutzeinrichtung nicht mehr richtig, so dass gefährliche Situationen entstehen können.
Was ist mit dem Auslösestrom?
Das Schaltvermögen eines Leitungsschutzschalters ist nicht dasselbe wie sein Auslöse- oder Nennstrom. Letzterer ist der maximale Strom, den ein Leitungsschutzschalter als sicher erachtet. Das Schaltvermögen hingegen ist der Strom, den das Gerät aushalten kann, ohne beschädigt zu werden. So hat zum Beispiel der 1+N-polige Leitungsschutzschalter (LS, englisch Miniatur Circuit Braker MCB) vom Typ SN201 L C32-L von ABB einen Nennauslösestrom (In) von 32 A und einen Nennkurzschlussstrom (Ikmax) von 4,5 kA (bei 230/400 VAC). Der Kurzschlussstrom hängt nämlich nur von der Kapazität des Stromnetzes ab und ist unabhängig von der Stromaufnahme der durch den Leitungsschutzschalter geschützten Last.
Messung des maximalen Kurzschlussstroms
Sie können den Kurzschlussstrom einer elektrischen Anlage mit einem so genannten PSC-Tester ermitteln. Dies ist ein einfach zu bedienendes Gerät, das den Kurzschlussstrom eines Stromkreises in Ampere (A) beziehungsweise Kiloampere (kA) anzeigt. Obwohl das Drücken der „Test“-Taste normalerweise ausreicht, um einen Wert zu erhalten, erfordert der korrekte Anschluss des Geräts an den Stromkreis Fachwissen darüber, was Sie zu messen versuchen.
Im Schaltschrank oder an der Verteilerschalttafel wird der PSC-Tester normalerweise zwischen Außenleiter (L) und Neutralleiter (N) angeschlossen, bei einer Steckdose zwischen Außenleiter (L) und Schutzleiter (PE). Verwenden Sie auf jeden Fall das sichere vergossene Prüfkabel, das bei solchen Geräten zum Lieferumfang gehört. Vergewissern Sie sich stets, dass der Tester für die richtige Messaufgabe eingestellt ist, bevor Sie die „Test“-Taste drücken!
Was macht ein PSC-Tester?
Ein PSC-Tester misst zunächst die Leerlaufspannung an den Klemmen (VS, siehe Bild 2). Dann legt er kurzzeitig eine kleine Last an, um einen Strom mit bekanntem Wert durch den Stromkreis fließen zu lassen (IT, Bild 3). Sobald dieser Prüfstrom fließt, misst das Gerät die Spannung V an den Klemmen. Aufgrund der Impedanz (ZLN) des Stromkreises wird die gemessene Spannung V etwas niedriger als VS sein. Diese Impedanz wird berechnet aus:
ZLN = (VS - V) / IT [Ω]
Unter der Annahme, dass ZLN konstant ist, berechnet der Tester den prospektiven Kurzschlussstrom als: VS/ZLN.
Die Höhe des Prüfstroms hängt vom gewählten Messbereich ab und reicht zum Beispiel von 2 A bis zu 25 A oder mehr. Die Dauer der Messung variiert ebenfalls mit dem Bereich und liegt in der Regel in der Größenordnung von einigen zehn Millisekunden. Tabelle 1 und Tabelle 2 zeigen einige „echte“ Messparameter eines realen PSC-Testers.
Was ist der Schleifentest?
PSC-Prüfgeräte können auch die Erdschlussschleifenimpedanz ZS oder ZE oder den prospektiven Fehlerstrom oder Erdschlussstrom messen, der im Falle eines Kurzschlusses vom Außenleiter L zum Schutzleiter PE fließt. Dieser Strom ist von der Impedanz des Stromkreises abhängig (Bild 4). Eine niedrige Impedanz führt zu einem hohen Erdschlussstrom, so dass ein Leitungsschutzschalter schnell auslöst. Eine niedrige Impedanz sorgt auch dafür, dass der Potentialunterschied zwischen dem PE-Leiter an der Steckdose und der Erde (auf PEN-Potential) besonders klein ist.
Bei der Messung an einer Steckdose wird die Erdschlussschleifenimpedanz als ZS bezeichnet, bei der Messung an der Einspeisung der Versorgung wird sie ZE genannt. So ist:
ZS = ZE + RL + RE [Ω]
mit RL und RE als die jeweiligen Impedanzen der L- und PE-Leiter zwischen dem Einspeisepunkt und der Steckdose.
Beachten Sie, dass selbst bei einem geringen Prüfstrom ein Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter) auslösen kann, wenn er empfindlich ist oder wenn ein Leck im zu prüfenden Stromkreis vorhanden ist. Um dies zu vermeiden, können Sie den FI-Schutzschalter vorübergehend überbrücken (aber vergessen Sie nicht, seine Anschlüsse wieder herzustellen, wenn Ihre Messungen beendet sind!)
Wie verläuft ein P(E)FC-Test?
Die Erdschleifenimpedanz wird auf die gleiche Weise wie die PSCC gemessen, aber der Prüfstrom ist, wiederum abhängig vom gewählten Bereich, viel kleiner, im zweistelligen Milliampere-Bereich. Außerdem wird die Messung zwischen dem Außenleiter L und dem Schutzleiter PE statt zwischen Außenleiter L und dem Neutralleiter N durchgeführt. Den PEFC erhält man durch Berechnung von VS/ZLE.
Anmerkungen
Je nach Verdrahtung kann es vorkommen, dass sich die Messwerte von PSCC und P(E)FC unterscheiden. Ist dies der Fall, verwenden Sie den höheren Wert bei der Auswahl eines Leitungsschutzschalters.
Hinweis: Das Arbeiten an elektrischen Anlagen, die unter Spannung stehen, ist (lebens-)gefährlich! Trennen Sie die elektrische Anlage stets vom Leitungsnetz, bevor Sie daran arbeiten!
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