Der/Die/Das IC: Wer hat’s erfunden?
Ungeachtet der bisher ungeklärten Frage des Geschlechts englisch abgekürzter integrierter Schaltungen (oder Schaltkreise), zu welcher der Duden (außer in der Bedeutung schnell fahrender Züge) immer noch nicht dezidiert Stellung nimmt: Auch mehr als 50 Jahre nach der damit bezeichneten Erfindung ist nicht nur der/die/das IC eine nicht eindeutig entschiedene und nicht richtig eingedeutschte Angelegenheit, sondern ist ebenso die viel elementarere Frage nach dem Erfinder weniger klar zu beantworten, als man meinen sollte.
Am Anfang, also im Jahre 1959, hatte der amerikanische Physiker Bob Noyce – seines Zeichens Mitgründer von Fairchild zwei Jahre zuvor und später dann von Intel - eine Idee miniaturisierter Elektronik und schon ward ein Patent beantragt. Dabei ging es darum, mehrere Halbleiterbauelemente auf einem Substrat quasi aus einem Guss zu fertigen, was enorme Miniaturisierung und somit Kosteneffizienz versprach. Und im April 1961 wurde ihm dann das IC-Patent erteilt. Also alles klar?
Denkste! Die Konkurrenz schlief nicht und Texas Instruments legte eine Beschwerde ein. Und im Mai 1962 bemühte sich das US-Patentamt um eine Klärung und bat sowohl Noyce als auch den für TI arbeitenden Elektrotechnik-Ingenieur Jack Kilby um Auskunft darüber, wann ihnen die IC-Idee denn nun gekommen sei.
Im Notizbuch von Noyce stand 1959 und in dem von Kilby 1958. Also entschied sich das Patentamt im Juni 1964 dafür, die Frage des IC-Patents zugunsten von Kilby zu entscheiden. Jetzt alles klar?
Von wegen! Fairchild legte Widerspruch ein. Das Patentamt überlegte und wog ab und diskutierte und hörte an, bis es dann sehr sorgfältig gewichtet in der Frage einer der wichtigsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts „schon“ im Jahre 1969 seine Meinung nochmals revidierte. Schließlich war die IC-Konstruktion von Kilby eher so etwas wie ein kleines Modul, während die IC-Variante von Noyce vom Prinzip her (Fotolithografie und Diffusion) modernen ICs entspricht. Ende gut, alles gut und gerecht?
Nicht so ganz! Erst sehr spät wurde das IC-Zeitalter mit einem Nobel-Preis gewürdigt: Im Jahre 2000 aber war Noyce leider schon ein Jahrzehnt verstorben und der Nobel-Preis wird nicht posthum vergeben. Also erhielt Kilby eine Hälfte des Nobelpreises für Physik, dessen andere Hälfte sich der Deutschamerikaner Herbert Kroemer und der Russe Schores Iwanowitsch Alfjorow für wichtige Beiträge zur IC-Technik teilten.
Die IC-Geschichte könnte damit abgeschlossen sein, wenn da nicht noch ein Aspekt gewesen wäre. Wenn nämlich das Zusammenpacken mehrerer Halbleiter zu einem Kleinstmodul als Kriterium für die IC-Erfindung genügt, dann sollte auch der deutsche Physiker Werner Jacobi nicht unerwähnt bleiben, denn eine seiner über 100 Erfindungen in seinem langen Berufsleben bei Siemens bestand aus einem aus fünf Transistoren bestehenden Verstärker, der auf einem halbleitenden Trägermaterial aufgebaut wurde. Dieser IC-Vorläufer wurde schon ein Jahrzehnt früher, nämlich am 15. April 1949 zum Patent angemeldet. Leider blieb dieser technische Fortschritt in der damaligen Wiederaufbauzeit weitgehend unbekannt und wurde nie kommerziell eingesetzt, sonst würden wir diese Woche den 62. IC-Geburtstag feiern...
PS: Die Frage des IC-Geschlechts wurde in diesem Text elegant umgangen.