Der Absturz der Lion-Air-Maschine letzten Oktober und der aktuelle einer Maschine der Ethiopian Airline scheinen Ähnlichkeiten aufzuweisen, wie der Verkehrsminister Äthiopiens auf der Basis erster Auswertungen der Blackbox gestern verkündete. Daraufhin hat der CEO von Boeing bestätigt, dass gerade an der Finalisierung eines Software-Updates für diesen Flugzeugt-Typ samt Revision der zugehörigen Pilotenschulung gearbeitet werden. Seit letzter Woche sind alle Maschinen dieses Typs weltweit von einem Flugverbot betroffen. Das Update soll nach unbestätigten Gerüchten innerhalb von 10 Tagen fertig sein.

Sicherheit & Technik

Es ist sicher so, dass Fortschritte in Technik und Wissenschaft uns allen ein längeres, besseres, angenehmeres und sichereres Leben beschert haben. Dieser Zusammenhang gilt aber nur im Mittel und nicht immer und überall. Faktisch ist es sogar so, dass die damit zusammenhängende steigende Komplexität immer wieder zu kleineren und größeren Katastrophen führt. So dürfte auch hier bei den beiden ungewöhnlichen Abstürzen zweier Boeing-Flugzeuge kurz nach dem Start vermutlich ein automatisches und damit computergestütztes Sicherheitssystem ursächlich beteiligt gewesen sein.

Momentan ist es zwar noch eine Spekulation, aber eine fundierte, dass das sogenannte MACS (Maneuvering Characteristics Augmentation System), welches einen Strömungsabriss mit folgendem Auftriebsverlust verhindern sollte, durch ein Fehlverhalten genau zu dieser gefährlichen Situation führte und so zwei Abstürze provozierte. Laut CEO Dennis Muilenburg geht es bei diesem Update folglich auch um das möglicherweise fehlerhafte Verhalten des MACS-Systems aufgrund der fehlerhaften Verarbeitung fehlerhafter Sensor-Signale. Gleichzeitig aber soll dieses Update kein Beleg dafür sein, dass genau dieses System fehlerhaft sei – schließlich kann die Bewertung der Absturzursachen für Boeing enorme finanzielle Folgen haben.

Wie auch immer die endgültigen Bewertungen ausfallen mögen, so ist doch klar, dass es in der realen Welt scheinbar unmöglich ist, immer alle möglichen Situationen komplexer Systeme im Voraus zu bedenken und Software adäquat darauf reagieren zu lassen. Manchmal zeigt sich das erratische Verhalten solcher technischen Systeme dann leider erst im praktischen Betrieb.

MACS

Das MCAS wurde von Boeing bei der neuen Version 737 Max 8 eingeführt, weil seine im Vergleich zu den Vorgängertypen schwereren, kraftstoffsparenden Triebwerke die aerodynamischen Eigenschaften dieses eigentlich recht alten Flugzeugtyps veränderten und dazu führen können, dass sich die Nase des Flugzeugs unter bestimmten Bedingungen während des manuellen Fluges aufrichtet. Das Upgrade auf die Version Max 8 war für Boeing wirtschaftlich notwendig geworden, da Konkurrent Airbus mit einer besonders sparsamen Variante seines Modells A320 begann, Boeing zunehmend Marktanteile abzunehmen und eine komplette Neukonstruktion gut 10 Jahre gedauert hätte.

Zur Funktion des MACS: Aufgrund der Daten der Sensoren für den Anstellwinkel des Flugzeugs drückt das MCAS per Eingriff in die Trimmung die Nase des Flugzeugs automatisch nach unten, wenn es Gefahr läuft, in einen Strömungsabriss zu geraten. Laut Flugdatenschreiber hatte das MACS des Lion Air Flight 610 eben genau die Nase des Flugzeugs nach dem Start immer wieder nach unten gedrückt und den Piloten gelang es scheinbar nicht, das Flugzeug unter Kontrolle zu bringen. Ähnliches scheint beim Flugzeugs der Ethiopian Airlines der Fall gewesen zu sein, bevor das Flugzeug kurz nach dem Start abstürzte. Laut Vorbericht soll ein defekter Sensor für den Anstellwinkel das MCAS zum Ansprechen geführt und die Nase nach unten gedrückt haben. 
Kurzfristig wurde von Boeing ein optimierter Hinweis an die Fluggesellschaften herausgegeben, wie Piloten das MCAS außer Kraft setzen können.