Interview: 10 Jahre Raspberry Pi
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Als der erste Raspberry Pi im Jahr 2012 auf den Markt kam, war er für mich eher ein Spielzeug. Doch er war preiswert, einfach zu bedienen und lief mit Linux out of the box. Diese Version wurde 2018 eingestellt, aber seit dem Erscheinen des Raspberry Pi gab es Nachfolger in Form von Modell 2B, 3B und 4B für Medien-Streaming, Transcoding, Netzwerkdienste etc. – kurz für Alles, was eine 24/7-Laufzeit bei geringem Stromverbrauch benötigte. Und die Versionen nach Raspberry Pi 1 sind mit jeder Generation leistungsfähiger geworden.
Im Sommer 2021, als Redaktion und Elektor-Labor viele zu Schlüsseltechnologien recherchierte, die unsere Branche revolutioniert haben, ergab sich für mich die Gelegenheit zu einem Interview von Eben Upton, CEO und Mitbegründer von Rapberry Pi. Im Laufe dessen sprach er über viele Themen, angefangen von der Geschichte des Raspberry Pi bis hin zu den Herausforderungen, die sich aus der COVID-19-Krise ergeben.
Warum "Raspberry Pi"?
Mathias Claussen: Herzlich willkommen, Eben, und vielen Dank für diese Gelegenheit. Ich denke, der Raspberry Pi gehört zu den wichtigsten Technologien des letzten Jahrzehnts. Woran haben Sie gedacht, als Sie den ersten Raspberry Pi entwickelt haben?
Eben Upton: An ein paar Dinge. Wir haben uns sehr von der 8-bit-Computerwelt der 1980er Jahre inspirieren lassen. Also von Geräten wie dem BBC Micro, dem Sinclair Spectrum und wohl auch vom Commodore C64 im weiteren Sinne. Interessant ist, dass ich damals dachte, wichtig wären hauptsächlich Computer und Software. Ich dachte nicht daran einen Zugriff für GPIOs auf das Board zu legen. Mein Mitgründer Pete Lomas hat die Hardware entwickelt und meinte, wir sollten GPIOs zur Verfügung stellen. Und genau das hatte natürlich einen großen Anteil an unserem Erfolg.
Claussen: Warum haben Sie sich für den Namen „Raspberry“ entschieden?
Upton: Ich mag Himbeeren sehr gerne. Aus manchen Früchten lässt sich kein guter Kuchen backen, und wenn man einen „Pi“ zu machen, ist „Raspberry Pi“ doch ganz nett und ein ziemlich sinnvoller Name, da das einerseits einen guten Kuchen ergibt und da er andererseits noch nicht verwendet worden war.
Claussen: Haben Sie während des Entwicklungsprozesses jemals in Erwägung gezogen, etwas anderes als das SoC von Broadcom zu verwenden?
Upton: Ich habe für Broadcom gearbeitet, also war das eine naheliegende Wahl. Ich war an der Entwicklung des Chips beteiligt, und ich war davon sehr begeistert. Ursprünglich waren wir eine Mikrocontroller-Plattform, also haben wir uns Atmels AVR-Chips angesehen, und wir hatten einen Prototypen.
Raspberry Pi und Linux
Claussen: War Linux zur Zeit der Raspberry-Pi-Entwickelung die erste Wahl als Betriebssystem?
Upton: Wir hatten eine frühere Version der Plattform, für die es mehr kundenspezifische Betriebsumgebungen gab. Offensichtlich kann man Linux aber nicht auf einem AVR-Chip ausführen. Wir hatten sogar ein früheres Broadcom-Design, das keinen ARM-Kern hatte, so dass wir kein Linux ausführen konnten. Folglich hatten wir einen Raspberry Pi vor Linux. Aber Linux war offensichtlich die erste Wahl, wenn man den Marktanteil, den Bekanntheitsgrad, die Anzahl der Nutzer und die Reife der Codebasis betrachtet. Es war eigentlich sogar die einzige machbare Wahl. Sobald wir einen ARM-Kern hatten, hatten wir einen Linux-kompatiblen Prozessor.
Claussen: Denken Sie, dass der Raspberry Pi zur weltweiten Verbreitung von Linux (GNU Linux) beigetragen hat?
Upton: Beide haben sich gegenseitig geholfen. Ich denke, dass Linux dem Raspberry Pi geholfen hat und dass es wirklich einfach zu verstehen ist, was der Raspberry Pi ist. Raspberry Pi ist ein Linux-PC. Es ist kein Intel Linux PC, aber es ist ein Linux PC - und die Leute verstehen das. Interessant ist, dass ich selbst Linux auf einem alten PC verwende. Und wenn ich heute nach einem Linux-Problem google, bekomme ich meist Antworten, die sich auf einen Raspberry Pi beziehen. An der Menge der auf den Raspberry Pi bezogenen Stack Exchange-Inhalte kann man sehen, dass er neben der Cloud und Android wahrscheinlich die dominierende Linux-Plattform geworden ist. Und das ist etwas, das wir uns damals nicht hätten vorstellen können.
Claussen: Sehen Sie durch den Raspberry Pi eine erhöhte Akzeptanz in der Industrie, Linux in ihren Geräten einzusetzen?
Upton: Ich weiß nicht, wie viel Einfluss wir darauf hatten. Sobald man eine Plattform im embedded Format anbietet, die nicht nur Kosten und Energie spart, sondern auf der man auch Python oder GCC laufen lassen kann, ermöglicht man vielen professionellen Softwareingenieuren für embedded Systeme zu entwickeln.
Claussen: Wenn auf dem Raspberry Pi ein anderes, nicht auf Linux basierendes Betriebssystem gelaufen wäre, hätte sich Linux dann so stark verbreitet, wie es geschehen ist?
Upton: Das ist eine wirklich schwer zu beantwortende Frage, denn ich kann nicht behaupten, dass wir Linux in den embedded Bereich gebracht haben. Ich denke, wir haben dazu beigetragen, aber es hätte sich ohnehin sehr verbreitet. Linux nicht einzusetzen hätte uns mehr behindert, als es Linux behindert hätte.
Claussen: Aus Kostengründen wurde im ersten Raspberry Pi mit einem ARM-Core eine nicht-x86-basierte CPU verwendet. Haben Sie das als einen Schub für die ARM-Architektur und die Linux-Unterstützung für ARM-Geräte gesehen?
Upton: Ich denke, wir haben einen sehr wesentlichen Beitrag geleistet, indem wir den Leuten immer wieder erzählt haben, dass ARM eine echte Architektur für einen PC ist. Das war sie nicht, als wir damit anfingen, aber jetzt ist sie es natürlich. Letztes Jahr ist etwas Interessantes passiert, als wir den Raspberry Pi 400 auf den Markt gebracht haben und eine Woche später Apple die M1-basierten Macs und MacBooks vorgestellt hat. Es ist schön zu behaupten, dass ARM seit etwa einem Jahrzehnt eine gute PC-Architektur ist, dann ein Produkt auf den Markt zu bringen und diese Überzeugung eine Woche später von einem der größten Computerunternehmen der Welt (in Form des ARM-basierten M1-Chips) bestätigt zu bekommen.
Pi für Industry
Claussen: Als der Raspberry Pi entwickelt wurde, war er auf den Bereich Bildung hin orientiert. Wann haben Sie bemerkt, dass er zunehmend auch in der Industrie eingesetzt wurde? Und ab wann wurde er von Ingenieuren für embedded Systeme genutzt?
Upton: Nun, im ersten Jahr wurde er nicht wirklich von Studenten genutzt. Es wurde von Erwachsenen genutzt, von Leuten wie uns, die bereits über Wissen in diesem Bereich verfügen. bereits früh zeigte sich eine industrielle Anwendung. Wir sahen 2013, dass es ein großes Interesse daran gab. Die breite Akzeptanz in der Industrie (bei Automatisierung und Steuerungen) kam dann ab 2014. Damals brachten wir die SO-DIMM-Plattform Compute Module 1 heraus. Außerdem kamen auch Raspberry 1 B+ und A+ auf den Markt, die ersten „modernen“ Raspberry-Pi-Modelle.
Claussen: Konzentrierten Sie sich beim Raspberry Pi Pico auf den Bildungsbereich oder eher auf die industrielle Nutzung?
Upton: Eigentlich ein bisschen von beidem. Der Raspberry Pi war für Anfänger im Bildungsbereich eher zu leistungsfähig und bot zu viel Flexibilität. Der Pico hingegen ist sehr einfach. Man schließt ihn an den PC an und er hat eine LED, die man blinken lassen kann. Der Schwerpunkt lag dann doch auf der Bildung, und die Stiftung hat viel gute Arbeit geleistet, indem sie Lehrmaterial zur Verfügung gestellt hat.
Natürlich gibt es auch ein Interesse der Industrie, gerade der Pico von uns stammt. Wir machen die Chips für den breiten Markt verfügbar, so dass man auch einzelne Chips bekommen kann. Wir forcieren den Markteintritt nicht, aber der RP2040 wird wahrscheinlich eher als einzelner Chip als über Picos in der Industrie verwendet.
Claussen: Sie haben sich beim Raspberry Pi und dem Raspberry Pi Pico für die ARM-Architektur entschieden. Aber vor zwei Jahren wurde die Raspberry Pi Foundation auch Mitglied der RISC-V Foundation. Warum eigentlich?
Upton: Wir sind Mitglied der RISC-V Foundation, doch wir sind dort vor allem unterstützend tätig. Es wird lange dauern, bis RISC-V eine Wirkung zeigt. Es reicht nicht aus, nur die Architektur zu bauen und die ISA zu haben. Man muss auch lizenzierbare, qualitativ hochwertige Kerne in einem sehr großen Leistungsspektrum haben.
Wenn man sich ARM anschaut, reichen deren Kerne vom M0+, der im Grunde die gleiche Größe wie beim Pico hat - und der so ziemlich die gleiche Größe hat wie der ursprüngliche ARM 1 aus den 1980er Jahren - bis zum Cortex 710 und Cortex X2, die durchaus in den Intel-Leistungsbereich reichen. Es gibt Kerne von ARM, die den gesamten Bereich zwischen diesen beiden Endpunkten abdecken. ARM ist also ein sehr ausgereiftes Ökosystem auf der Hardwareseite, und es ist ein sehr ausgereiftes System auf der Softwareseite.
Warum sind wir Mitglieder der RISC-V-Stiftung? Ich denke, dass RISC-V eine Chance bei Mikrocontrollern hat. Wir glauben zu wissen, was für einen Erfolg nötig ist. Wir wollten unsere Vorstellungen in den RISC-V-Standardisierungsprozess einzubringen. Es geht also nicht darum, nur einen RISC-V-basierten Raspberry Pi oder einen RISC-V-basierten RP2040 oder Pico zu bauen. Es geht um eine sehr, sehr langfristige Investition. Es gibt dort großartige Leute und es passieren großartige Dinge. Aber es wird Zeit brauchen.
Blick in die Zukunft
Claussen: Da künstliche Intelligenz immer wichtiger wird: Wie wird sich der Raspberry Pi bezüglich Software und vielleicht sogar Hardware in diese Richtung bewegen?
Upton: Ich denke, es gibt zwei Dinge, über die man sprechen sollte. Zum einen ist die Bereitstellung leistungsstarker Universal-CPU-Cores eine gute Basis für KI, wenn man kein riesiges Modell ausführen und keine Inferenz mit geringer Latenzzeit durchführen möchte. Wenn man ein paar Sekunden warten kann, um Inferenzergebnisse zu erhalten - und wenn der Energieverbrauch pro Operation nicht im Vordergrund steht. KI läuft schon vielfach auf dem Raspberry Pi 4 und das lediglich auf den Cortex-A72-Cores.
Wo bringt verbesserte Hardware etwas? Man bekommt damit einen höheren durchschnittlichen Durchsatz, was für große Modelle nützlich ist. Oder man kann ein kleineres Modell schneller ausführen. Außerdem verbraucht sie weniger Energie pro Interferenz.
Werden wir jemals KI einsetzen? Ich befürchte, dass ein sinnvoller Beschleuniger viel Siliziumfläche benötigt. Und wenn man darauf meine Flächenkostenmatrix darauf anwendet, erhält man etwas, das mindestens 10 ¢ kostet. Wenn man das in das SoC integriert, wird die Hauptplattform um viele Zehn-Cent-Stücke teurer. Wir neigen dazu, hier keine Dinge hinzuzufügen, die zehn Cent kosten, weil im Budget kein Platz dafür ist.
Anmerkung der Redaktion: Das vollständige Interview von Mathias Claussen mit Eben Upton erscheint in Elektor 11/2021.
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