Von den 70ern bis zur Jahrtausendwende
über
Von Luc Lemmens (Elektor)
Karel Walraven hat mehr als die Hälfte der Lebensjahre von Elektor als Entwickler, Laborleiter und (Chef-) Redakteur unserer Zeitschrift erlebt. Bevor er für die ehemalige Uitgeversmaatschappij Elektuur - damals noch unter der Leitung ihres Gründers Bob van der Horst - zu arbeiten begann, war er bereits seit vielen Jahren Abonnent. Einen Großteil seines Elektronikwissens verdankte er dem Selbststudium, unter anderem mit Bauprojekten aus unserer Zeitschrift. Ein 60-jähriges Jubiläum wäre nicht vollständig ohne seinen Rückblick auf die Jahre, in denen er mit uns zusammengearbeitet hat.
Lemmens: Wie haben Sie Ihre Arbeit bei Elektor begonnen und welche Positionen hatten Sie inne?
Walraven: Als ich mein Studium der Elektrotechnik an der Fachhochschule abgeschlossen hatte, gab es nicht allzu viele Stellen, die mich interessierten. Seit meinem 15. Lebensjahr war ich Abonnent der Elektuur (wie Elektor damals in den Niederlanden genannt wurde), aber auf die Idee, mich dort zu bewerben, war ich nie gekommen, bis mir das Arbeitsamt einen Tipp gab. Also habe ich mich beworben, und so begann am 1. Januar 1975 meine Laufbahn bei Elektor als Entwickler, Redakteur und Übersetzer. Mit dem ersten Projekt, das ich selbst auf die Beine stellen musste, wurde ich ins kalte Wasser geworfen: Es ging um eine interessante Schaltung für ein Oszilloskop. Ein erfahrener deutscher Autor sollte sich um die Entwicklung kümmern, aber wir mussten das Projekt aus verschiedenen Gründen nach kurzer Zeit leider wieder abbrechen.
Einige Jahre später wurde ich Leiter des Labors, eine Position, die ich bis zu meinem Vorruhestand im Jahr 2006 innehatte. Mehrere Jahre lang war ich auch der koordinierende Redakteur, der sowohl für das Labor als auch für die Redaktion verantwortlich war.
Lemmens: Jede Ausgabe von Elektuur erforderte neue Projekte. Woher kamen die Ideen?
Walraven: Zunächst einmal muss man als Entwickler oder Redakteur von Natur aus neugierig sein. Man liest die Publikationen der Hersteller und die Zeitschriften der Konkurrenz. Dann hat man natürlich Kontakt zu seinen Kollegen und nicht zuletzt zu den Lesern. Sie bringen viele Ideen ein, manchmal nur in Form von Vorschlägen, oft aber auch als fertiges Projekt. Man saugt all diese Informationen auf, und wenn ich morgens aufwache, denke ich oft: „Jetzt weiß ich, wie ich das Problem lösen würde!" oder „Ich könnte doch mal dieses oder jenes entwickeln!"
Lemmens: Wenn ich mir die Veröffentlichungen in Elektor von den Anfängen bis heute anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass es immer schon klare Trends in der Hobbyelektronik gab. In den 60er und 70er Jahren gab es zum Beispiel ein großes Interesse an Audioprojekten. Anfang der 80er Jahre kamen dann Mikrocontroller, Heimcomputer, PCs und ähnliche Dinge dazu.
Walraven: Die Audioprojekte, bei denen wir manchmal jedes Jahr einen Verstärker veröffentlichten, verschafften uns in der Tat ein großes Publikum. Als der Preis für TTL-ICs unter eine D-Mark bzw. einen holländischen Gulden fiel, widmete Elektor fast eine ganze Ausgabe dem 7401.
Der Übergang zu den ersten Mikroprozessorschaltungen war schwierig. Wir waren der Meinung, dass es sich um eine wichtige Entwicklung handelte, aber niemand hatte eine Ahnung, was man damit anfangen sollte. Wir sind nie wirklich über die Entwicklungssysteme hinausgekommen, von denen der Junior-Computer das bekannteste ist. Aber es gab weitere erfolgreiche Projekte in diesem Bereich, wie zum Beispiel eine Reihe von 8051-Boards, darunter die Basic Matchbox und das 8052-BASIC Compuboard. Auch die begleitenden Software-Kurse stießen bei unseren Lesern auf großes Interesse.
Lemmens: Ganz einfach gesagt, viele der heutigen Hobbyprojekte bestehen aus einer Kombination von vorgefertigten Modulen aus Fernost, etwas Software und möglicherweise einem 3D-gedruckten Gehäuse, damit es hübsch aussieht. Da hat sich im Laufe der Jahre eine Menge getan, wie mir scheint.
Walraven: Ja, das stimmt. In den 50er Jahren war das Unternehmen AMROH bei den Hobby-Elektronikern hier in den Niederlanden führend. Das war eigentlich eine Transformatorenfabrik, aber um den Umsatz zu steigern, verkauften sie für ein paar Gulden Baupläne von Verstärkern und Radios, in denen natürlich ihre Transformatoren verwendet wurden. Philips hatte komplette Bausätze mit allen Komponenten, einschließlich Schritt-für-Schritt-Anleitungen, in denen jedes Bauteil und jeder Draht erwähnt wurde – und was man damit machen musste. Eine unglaubliche Qualität, und natürlich habe auch ich einige davon gebaut.
Bei Elektor gab es das alles nicht. Die Leser hatten zwar die Schaltpläne, aber sonst musste man sich alles selbst zusammenreimen. Doch das änderte sich mit dem Aufkommen der Leiterplatte. Elektor begann, Layouts zu drucken, mit denen man seine eigene Platine ätzen konnte. Und etwas später konnte man bei Elektor dann auch fertige Leiterplatten bestellen.
Das war ein Wendepunkt. Früher mussten die Leser ihre Platinen selber ätzen, doch jetzt schien alles so einfach zu sein. Von einem Tag auf den anderen verkaufte Elektor Zehntausende von Leiterplatten für seine Verstärkerschaltungen – und ich spreche jetzt nur von den Niederlanden, und die Zahl der Abonnenten nahm proportional zu. Plötzlich begann jeder, sich für Elektronik zu interessieren. Damals kosteten kommerzielle Verstärker noch weit über tausend D-Mark, doch selbstgebaute Geräte waren nur halb so teuer.
Später kam der Software-Service hinzu. Wir verkauften Kassetten und sogar Vynil-Singles mit Programmen, bevor es Disketten, CDs und DVDs gab. Elektuur verkaufte auch (E)PROMs, programmierte Mikrocontroller und programmierbare Logik. Vor allem in den Anfangsjahren waren die dafür benötigten speziellen Programmiergeräte für den durchschnittlichen Bastler viel zu teuer. Mit diesem Service machten wir auch die entsprechenden Projekte einem viel größeren Publikum zugänglich.
Für die Redakteure war dies ein großer Erfolg, aber alles hat auch seine Schattenseiten. Während die Leser früher ziemlich viel über Elektronik wussten, kam nun ein „Verbraucher-Publikum“ hinzu, das durch keinerlei Wissen „behindert“ wurde und einfach nur ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis wollte.
Das war plötzlich ein ganz anderes Spielfeld. Viele neue, zum Teil ganz andere Abonnenten mit anderen Ansprüchen. Elektor bekam den Ruf, dass es eine wirklich schöne Zeitschrift sei, aber dass die Schaltpläne unzuverlässig seien. Es ist uns nie gelungen, dieses Image ganz abzuschütteln, obwohl wir jede Schaltung im Labor nachgebaut, eine wöchentliche Fragestunde angeboten und alle unsere Fehlversuche veröffentlicht haben.
Lemmens: Komplette Bausätze scheinen ein logischer nächster Schritt zu sein, aber es hat trotzdem lange gedauert, bis Elektor sie zu verkaufen begann.
Walraven: In jenen Jahren verdienten wir unser Geld auch mit dem Verkauf von Anzeigen. Viele dieser Anzeigenkunden verkauften selbst Bauteile und (Elektor-) Bausätze. Aus kommerzieller Sicht war es daher keine gute Idee, ihnen in die Quere zu kommen. Außerdem wurde Elektor dann plötzlich Teil eines großen Verlags, für den keine Platinen, sondern nur gedruckte Seiten zählten.
Lemmens: Die Zeitschrift Elex war einige Jahre lang die kleine Schwester von Elektor. In Deutschland wurde sie später noch eine Zeit lang unter dem Titel ESM herausgegeben. Es war ein Einsteigermagazin, das durchaus Leser anlockte, sich aber letztlich als nicht lebensfähig erwies.
Walraven: Elex/ESM war recht beliebt, und als Redakteure haben wir das Blatt gerne gemacht, aber wir konnten kein Geld damit verdienen, weil kein Anzeigenkunde interessiert war. Der ursprüngliche Plan war, Elex mit nur einem Redakteur zu machen und den Inhalt alle drei Jahre neu zu veröffentlichen. Aber nach der ersten Ausgabe war das nicht mehr der Fall und Elex verließ sich auf die Arbeit der Elektor-Redakteure. Die Anzeigenkunden, insbesondere die Teilehändler, fanden die Schaltungen in Elektor zu groß und komplex, aber die einfacheren Entwürfe in Elex waren offenbar auch nicht das, was sie wollten.
Lemmens: Ich hatte immer den Eindruck, dass Sie ein Tausendsassa in Sachen Elektronik waren. Stimmt das, oder konnten Sie auch verschleiern, dass Sie in einigen Disziplinen keine Kenntnisse hatten?
Walraven: Ich kann über viele Dinge sprechen. Ich weiß über viele Themen ein bisschen. Also ja, im Großen und Ganzen kann ich verfolgen, was links und rechts passiert. Außerdem ertrage ich es nicht, wenn ich etwas nicht weiß, also schlage ich es nach, und beim nächsten Mal weiß ich es. Mein ganzes Leben lang war ich fasziniert davon, wie Dinge und Prozesse funktionieren. Damit meine ich nicht nur die Technik, sondern natürlich auch die Interaktion zwischen Menschen. Übrigens habe ich überhaupt kein Problem damit, zuzugeben, wenn ich etwas nicht weiß.
Lemmens: Beschäftigen Sie sich noch mit Elektronik? Wenn ja, in welchem Bereich?
Walraven: Eigentlich nicht. Ich arbeite gelegentlich mit Modelleisenbahnen und verwende dafür die BIDIB (DCC)-Karten. Im Moment entwerfe ich den Mechanismus zur Steuerung meiner Weichen und drucke ihn mit meinem 3D-Drucker aus. Ich beschäftige mich, was die Elektronik anbetrifft, auch mit etwas Elektronik im Zusammenhang mit einem Arduino Nano. Außerdem habe ich einige kleinere Dinge wie ein Thermometer mit großem Display, einen Thermostat, eine Steuerung für die Dunstabzugshaube und ähnliche Geräte gebaut. Alles mit dem Arduino.
Lemmens: Sie sind jetzt seit etwa 15 Jahren im Ruhestand. Vermissen Sie Elektor noch?
Walraven: Leider (für Elektor) muss ich sagen, dass ich als Rentner die beste Zeit meines Lebens habe. Ich bin immer noch gesund und kann tun, was ich will. Ich arbeite ehrenamtlich in der Volkshochschule und habe mir einen ganz neuen Freundeskreis aufgebaut. Gelegentlich schaue ich in Elektor rein, weil mich die Zeitschrift immer noch interessiert, aber für mich ist der Inhalt heutzutage zu sehr auf immer leistungsfähigere Mikroprozessor-Boards ausgerichtet. Ich abonniere keine Zeitschrift, nicht einmal eine Zeitung. Das Internet ist mein Fenster zur Welt.
Über den Autor
Luc Lemmens ist Ingenieur und technischer Redakteur bei Elektor. Viele seiner Artikel können Sie unter www.elektormagazine.com lesen, und Sie können ihm auf Twitter unter https://twitter.com/LElektor folgen.
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