Das 10-Jahres Handy - Erneuern Sie Ihre Erwartungen!
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Vielleicht haben Sie im Internet schon einmal eine Anzeige für ein neues Smartphone gesehen, das zehn Jahre halten soll. Vielleicht haben auch Sie darauf geklickt, nur um dann enttäuscht festzu- stellen, dass es dieses Handy nicht gibt ... noch nicht. Die Initiative „10 years phone“ versucht, Ihre Aufmerksamkeit und die der EU-Gesetzgeber zu gewinnen, indem sie uns mit einer Zukunft lockt, in der es normal wird, dass ein Smartphone ein Jahrzehnt lang hält. Damit dies tatsächlich funktioniert, müssten Rechtsvorschriften über die Reparierbarkeit, die fortge- setzte Softwareunterstützung und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen - insbe- sondere des Akkus - erlassen werden. Informationen darüber, wie man sein Telefon selbst reparieren kann, sowie eine offizielle Einstufung der Reparierbarkeit sollten ohne weiteres zugänglich sein.
Zeitplan
Irgendwann auf dem Weg zu immer erstaunlicheren Mobiltelefonen scheinen wir uns damit abgefunden zu haben, dass diese teuren Helfer nur zwei bis vier Jahre mit voller Funktionstüchtigkeit halten. Ich schätze, wir machen uns nicht oft Gedanken darüber, wie viel Lebensdauer wir eigentlich von unseren Geräten erwar- ten. Wie lange sollte Ihr 4K-Flachbildschirm halten? Was ist mit Ihrer Waschmaschine, Ihrem Wecklicht oder Ihrem Reflow-Ofen?
Das 10-Jahres-Smartphone ist eine Initiative der Europäischen Kampagne für das Recht auf Reparatur, einem Zusammenschluss von über 80 Organisationen aus ganz Europa, die sich für langlebigere und besser reparierbare Produkte einsetzen.
Zwei bis vier Jahre scheinen für die meisten Geräte gar nicht so schlecht zu sein, denn in diesem Zeitraum wollen Sie wahrscheinlich sowieso etwas Neues. Das ist eine seltsame Auffassung. Woher kommt dieser Zwang, ständig aufzurüsten, und ist es nicht an der Zeit, dass wir ihn loswerden? In einer Zeit, in der unser Planet in unseren Produkten erstickt, der knappen Ressourcen und des Leids, die mit der Herstellung vieler unserer Geräte verbunden sind, schätzen wir selber das, was wir haben, nur gering ein. Wie wäre es aber, wenn wir unsere Geräte und unsere mentalen Modelle so anpassen, dass sie länger halten?
Ein neuer Reflex
Mein Smartphone ist jetzt etwa fünf Jahre alt und ich muss dringend den Akku austauschen lassen. Der Ladestand sinkt im Handumdrehen von 42 % auf leer. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich nach einem neuen Handy umsah, bis ich feststellte, dass ich mit meinem immer noch sehr zufrieden bin, abgesehen von der Todessehnsucht des Akkus. Mit diesem Reflex nach Neuem bin ich nicht allein: Nur 11 % der Menschen in der EU reparieren ihr Handy, wenn es nicht mehr funktio- niert. Würde ich mich auch sofort nach einer neuen Waschmaschine umsehen, wenn sie plötzlich den Schleudergang verweigern würde? Ich glaube nicht. Ich glaube, mein Reflex wäre es, das Problem zu googeln, ob das Internet vielleicht weiß, dass das ständig passiert und ich einfach die Dingsbums-Düse reinigen sollte. Ich würde die Waschmaschine selbst warten und reparieren. Und sollte das nicht klappen, würde ich wahrscheinlich einen Fachmenschen mit der Reparatur beauf- tragen, WENN die Waschmaschine nicht älter als zehn Jahre ist.
Waschmaschinen und Smartphones liegen in der gleichen Preisklasse. Aber warum erwarten wir nicht, dass unsere Mobiltelefone ein Jahrzehnt lang halten? Es ist an der Zeit, dass wir smarter werden!
Priscilla Haring-Kuipers schreibt über Technologie aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive. Sie ist besonders daran interessiert, dass Technologie das Gute in der Menschheit unterstützt und glaubt fest an die Wirkungsforschung. Sie hat einen MSc in Medienpsychologie und lässt This Is Not Rocket Science entstehen.
Mehr über WEEF 2022 und Ethik
Das World Ethical Electronics Forum 2022 (WEEF 2022), das für November geplant ist, wird auf dem Schwung der letztjährigen Veranstaltung aufbauen, auf der sowohl Priscilla Haring-Kuipers als auch Margot Cooijmans gesprochen haben. In den nächsten Monaten wird Elektor Artikel, Umfragen, Interviews und Umfragen veröffentlichen, die zum Nachdenken über Ethik anregen. Besuchen Sie die Website des WEEF 2022 für weitere Informationen.
Diskussion (4 Kommentare)
Jan Hauß vor 2 Jahren
Ich wollte dann ganz schnell ein Fairphone4 (das 3er ist weniger modular) und zwar die Topvariante und bekam es nicht...
Also habe ich ein neues altes OnePlus 7 geschossen und mit Lineage OS für den (nicht der Daten Prostitution verpflichteten) Menschlichen Gebrauch fit gemacht.
Auf mein 2017 "gecrowdfundetes" Purism5 Linuxphone warte ich heute noch .... Drecksladen!
(Die verkaufen offensichtlich lieber anderes gebrandete Telefone - als Ihre Backer zu bedienen.)
Solange ein Telefonkäufer nur als Ausspähungsopfer mit seinem ehemaligen Privatleben zahlt und solange nur proprietäre Treiber für proprietäre Chips mit begrenzter Stückzahl - mit geringer Lagerhaltung produziert werden - hat die Smartphonebranche - andere Probleme als nur Lebensdauerprobleme.
Positiv bin ich von Gigaset überrascht worden, die (auf Anhieb) ein 1 Jahr altes GS290 /e/-Handy meines Töchterchens binnen 4 Tagen (inkl. Versand) kostenfrei wieder in Stand gesetzt haben! Das hätte ich nicht erwartet.
Das läuft bei denen auch nur 24 Monate - aber für den Preis - ist das wirklich gut!
Priscilla vor 2 Jahren
I applaud your efforts to use your smartphone as long as possible - too bad this isnt always supported by the manufacturer and Good News when it is.
You are absolutely right that longevity is not the only problem.
Keep up the Handy!
Uli Zappe vor 2 Jahren
Ich hatte in den 0er Jahren ähnliche Erfahrungen mit der Schnelllebigkeit von Computern gemacht, die sich damals noch rasant entwickelten. 2010 hatte ich die Nase voll davon und beschloss angesichts des erreichten Stands der Technik, dass ich alle elektronischen Geräte mindestens 10 Jahre würde verwenden wollen, wenn sie nicht vorher irreparabel kaputt gingen.
Gleich mit meiner ersten Anschaffung danach, einem Ur-iPad von Apple, wurde ich auf eine harte Probe gestellt, denn das bekam als nur halbfertiger Erstling gerade mal zwei Jahre Software-Support. Ich habe dennoch trotzig eisern durchgehalten und es erst 2020 durch ein iPad Pro ersetzt, das war dann natürlich ein Quantensprung. Und für viele Sachen war mein Ur-iPad am Schluss wirklich kaum noch bis gar nicht mehr zu gebrauchen. Das war aber weniger ein Problem der Geschwindigkeit, sondern der Interoperabilität. Irgendwann synchronisierten Adressbuch und Notizen nicht mehr mit meinem Mac, Safari (der Webbrowser) konnte Webseiten mit neueren JavaScript-Versionen nicht mehr darstellen usw.
Niemand verlangt, dass ein Gerät später garantiert Sachen kann, die es beim Kauf noch nicht konnte, aber das, was es beim Kauf prinzipiell konnte, sollte es auch für 10 Jahre garantiert weiter können. In einer vernetzten Welt bedeutet das als Mindestanforderung nicht nur Sicherheits-, sondern auch Interoperabilitäts-Updates auf 10 Jahre garantiert.
Mit meinem iPhone SE von 2016 werde ich da schon bessere Karten haben. Das im Herbst kommende neue iOS 16 ist das erste, das sich auf meinem iPhone dann nicht mehr installieren lässt; Sicherheitsupdates habe ich dann noch Herbst 2024. Bleiben anderthalb Jahre bis zum 10jährigen im Frühjahr 2026, das werde ich auch noch überleben, zumal das iPhone SE im Bereich Design und geringe Größe für meinen Geschmack Vorzüge hat, die mir kein aktuelles Modell bietet.
Nur die Interoperabilität bleibt für die 3½ Jahre kritisch. Man sieht aber an diesem Beispiel, dass 10 Jahre keine technisch unrealistische Vorgabe wären.
Priscilla vor 2 Jahren
and making it very far
You are absolutely correct that if we are to meet this expectation, this must include the software support
- this would currently be the low-hanging fruit of allowing longer use of many smartphones and tablets.