Die Magie der Zahlen
24. Juni 2016
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Nein, es geht nicht um die Kabbala, sondern um die ausufernde Komplexität und Vielfältigkeit moderner Elektronik in Folge des stetigen Bemühens der Hersteller, bloß keine Nische einer Nische unbesiedelt zu lassen (damit letztlich jede chinesische Fertigungsstraße einen eigenen Typ bekommt). Besonders frappant ist das bei MOSFETs – dass hier für jedes µΩ von RDS(on) und jedes mV von VDS ein eigener Typ kreiert wird, ist nur leicht übertrieben. Nun kombiniere man das noch mit Temperatur, Gehäuse, Anschlussbelegung und Leistung (sowie Preis) und schon ergibt sich eine multidimensionale Tabelle mit mehr Zellen als Atomen im Universum. Die Beschriftung mit den mehrzeiligen Typennummern passt schon lange nicht mehr auf SMD-Exemplare...
Es ist noch nicht so lange her, dass alle BUZxx- und IRFxxx-Typen bequem in eine Reihe „F“ (für FET) eines Sortimentskastens passten. Die Einfachheit und Logik der Typen-Codes muss den Herstellern ein Dorn im Auge gewesen sein, denn das war ja auch zu simpel: BUZ war europäisch und IRF stand für – das muss man ja kaum erläutern – TEF reifitceR lanoitanretnI. Je höher die Zahl hinter den drei Buchstaben, desto besser die technischen Daten (und desto höher der Preis). Jeder Typ deckte einen breiten Bereich elektrischer Kennwerte ab. Damals gab man in seinen PC einfach ein paar Stellen der Typennummer und vielleicht noch den einen oder anderen Hersteller-spezifischen Zusatz ein und schon stand das gesuchte Bauteil eindeutig und allein ganz oben oder ganz unten auf der Liste (je nach Verwendung eines Little- vs. Big-Endian-Prozessors ;-). Zahlen hatten damals noch Bedeutung, denn Ingenieure haben schon immer Zahlen mit Statusqualitäten verknüpft – man denke nur einmal an den Unterschied zwischen einem BMW 728i und seinem ordinäreren Gegenstück mit 320 am Ende oder an Tektronix 585A vs. 310 etc.
Die Einfachheit der Kodierung elektronischer Bauelemente ist Geschichte. Das gilt auch für Elektor-Projekte und selbst für das Bedürfnis, Bauteile mit breitem Einsatzspektrum zu haben, die man fast überall irgendwie (auch als Ersatz) einsetzen konnte. Trotzdem sind Bauteile wie ein BC108 oder 2N2219A und eine ECC83 für die Freunde von Glühfäden nicht verkehrt. Doch die Notwendigkeit eines 3NZ128-Yg66n/-33P als simpler Treiber für ein Relais mit 5 V und 100 mA ist bei Selbstbauprojekten doch eine arge Hürde, die fast an FETischismus grenzt, zumindest aber schwer abgehoben daherkommt. Das ist eher ein Zeichen mangelnden Könnens als für „schau mal wie lange ich gesucht habe, um das einzig mögliche, speziell für diese Schaltung geeignete Bauteile zu finden“. Hier will doch jemand vertuschen, dass er ein aus einem alten Videorekorder ausgelötetes Bauteil verwendet hat, oder etwa nicht? Solche Spezialbezeichnung stehen doch für Dinge wie einen einmalig hergestellten GaAs-dotierten Widerstand aus dem Plastikbeutel eines Restpostens, der aus Sparsamkeitsgründen anstelle eines zwar nagelneuen aber gewöhnlichen Widerstands mit 4,7 kΩ und 10% Toleranz verbaut wurde, stimmt’s?
Ebenfalls Geschichte sind die Anzeigen in Elektronikzeitschriften, in denen in langen Tabellen in kleiner Schrift diskrete Bauteile samt Preis aufgeführt wurden. Dank Internet wurden diese nicht nur obsolet, sondern dank schier unbegrenzten Platzes auch deutlich umfangreicher. Tatsächlich sind die Webseiten von Distributoren und gut sortierten Versendern durchaus mehr als eine bloße Bestellmöglichkeit. Man findet dort leicht Anregungen und sogar gute Beschreibungen und Datenblätter. Früher war das eher so wie auf einem Markt, auf dem man nach den besten und preiswertesten Orangen (stellvertretend z. B. für die damals üblichen 2N3055-Leistungstransistoren) suchte. Je kleiner die Schrift in der Anzeige, desto mehr freute man sich, wenn man das gesuchte Bauteil zum guten Preis gefunden hatte.
Gerade weil es klar ist, dass kein Lager und keine noch so große Batterie an Sortimentskästen die Myriaden unterschiedlicher Bauteile aufnehmen kann, um alle Wünsche zufrieden zu stellen, plädiere ich gerade bei Selbstbauprojekten oder für Reparaturzwecke für Einsicht, Rationalität und Selbstbeschränkung bei der Verwendung elektronischer Bauelemente.
Berichten Sie also in einem Kommentar davon, wie Sie standhaft „Nein!“ zu einem exotischen Bauteil gesagt und es erfolgreich mit einem Standard-Typ aus Ihrer Bauteilesammlung ersetzt haben. Ich bin gespannt...
Es ist noch nicht so lange her, dass alle BUZxx- und IRFxxx-Typen bequem in eine Reihe „F“ (für FET) eines Sortimentskastens passten. Die Einfachheit und Logik der Typen-Codes muss den Herstellern ein Dorn im Auge gewesen sein, denn das war ja auch zu simpel: BUZ war europäisch und IRF stand für – das muss man ja kaum erläutern – TEF reifitceR lanoitanretnI. Je höher die Zahl hinter den drei Buchstaben, desto besser die technischen Daten (und desto höher der Preis). Jeder Typ deckte einen breiten Bereich elektrischer Kennwerte ab. Damals gab man in seinen PC einfach ein paar Stellen der Typennummer und vielleicht noch den einen oder anderen Hersteller-spezifischen Zusatz ein und schon stand das gesuchte Bauteil eindeutig und allein ganz oben oder ganz unten auf der Liste (je nach Verwendung eines Little- vs. Big-Endian-Prozessors ;-). Zahlen hatten damals noch Bedeutung, denn Ingenieure haben schon immer Zahlen mit Statusqualitäten verknüpft – man denke nur einmal an den Unterschied zwischen einem BMW 728i und seinem ordinäreren Gegenstück mit 320 am Ende oder an Tektronix 585A vs. 310 etc.
Die Einfachheit der Kodierung elektronischer Bauelemente ist Geschichte. Das gilt auch für Elektor-Projekte und selbst für das Bedürfnis, Bauteile mit breitem Einsatzspektrum zu haben, die man fast überall irgendwie (auch als Ersatz) einsetzen konnte. Trotzdem sind Bauteile wie ein BC108 oder 2N2219A und eine ECC83 für die Freunde von Glühfäden nicht verkehrt. Doch die Notwendigkeit eines 3NZ128-Yg66n/-33P als simpler Treiber für ein Relais mit 5 V und 100 mA ist bei Selbstbauprojekten doch eine arge Hürde, die fast an FETischismus grenzt, zumindest aber schwer abgehoben daherkommt. Das ist eher ein Zeichen mangelnden Könnens als für „schau mal wie lange ich gesucht habe, um das einzig mögliche, speziell für diese Schaltung geeignete Bauteile zu finden“. Hier will doch jemand vertuschen, dass er ein aus einem alten Videorekorder ausgelötetes Bauteil verwendet hat, oder etwa nicht? Solche Spezialbezeichnung stehen doch für Dinge wie einen einmalig hergestellten GaAs-dotierten Widerstand aus dem Plastikbeutel eines Restpostens, der aus Sparsamkeitsgründen anstelle eines zwar nagelneuen aber gewöhnlichen Widerstands mit 4,7 kΩ und 10% Toleranz verbaut wurde, stimmt’s?
Ebenfalls Geschichte sind die Anzeigen in Elektronikzeitschriften, in denen in langen Tabellen in kleiner Schrift diskrete Bauteile samt Preis aufgeführt wurden. Dank Internet wurden diese nicht nur obsolet, sondern dank schier unbegrenzten Platzes auch deutlich umfangreicher. Tatsächlich sind die Webseiten von Distributoren und gut sortierten Versendern durchaus mehr als eine bloße Bestellmöglichkeit. Man findet dort leicht Anregungen und sogar gute Beschreibungen und Datenblätter. Früher war das eher so wie auf einem Markt, auf dem man nach den besten und preiswertesten Orangen (stellvertretend z. B. für die damals üblichen 2N3055-Leistungstransistoren) suchte. Je kleiner die Schrift in der Anzeige, desto mehr freute man sich, wenn man das gesuchte Bauteil zum guten Preis gefunden hatte.
Gerade weil es klar ist, dass kein Lager und keine noch so große Batterie an Sortimentskästen die Myriaden unterschiedlicher Bauteile aufnehmen kann, um alle Wünsche zufrieden zu stellen, plädiere ich gerade bei Selbstbauprojekten oder für Reparaturzwecke für Einsicht, Rationalität und Selbstbeschränkung bei der Verwendung elektronischer Bauelemente.
Berichten Sie also in einem Kommentar davon, wie Sie standhaft „Nein!“ zu einem exotischen Bauteil gesagt und es erfolgreich mit einem Standard-Typ aus Ihrer Bauteilesammlung ersetzt haben. Ich bin gespannt...
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Diskussion (3 Kommentare)