Moderne Mikrocontroller bieten eine Menge Funktionen auf extrem kleinem Raum. Wofür die früher mehrere Chips nötig waren, kommt man heute mit einem einzigen IC aus. Natürlich muss immer noch ein Mikrocontroller programmiert werden, was oft in Hochsprachen erfolgt. Dadurch kann allerdings der Entwickler den Bezug zu dem verlieren kann, was auf der Port- oder Transistorebene vor sich geht. Dennis Kuschel hat dies beim Bau eines diskreten Mikrocontroller aus einzelnen Logik-ICs bedacht. In diesem kurzen Beitrag spricht er über seinen Elektronik-Arbeitsplatz, woran er in seiner Freizeit arbeitet und über seinen MyNOR-Computer.

Dennis Kuschel with MyNOR on his desk
Dennis Kuschel mit MyNOR auf der Arbeitsplatte seines Heimlabors.

Arbeitsplatz für MyNOR

Das vorstehende Bild zeigt meinen Arbeitsplatz zuhause. Ich besitze nur ein paar Messgeräte: ein Oszilloskop und zwei Digitalmultimeter. Mehr brauche ich nicht, denn es fehlt mir nicht wirklich etwas. Auf dem Tisch sehen Sie ein Beispiel für den MyNOR-Computer, bei dem ich zehn ICs durch diskrete Transistorschaltungen ersetzt habe (die fröhlich-bunten Drahtbrücken).
 
Zu Weihnachten 1989 erhielt ich meinen ersten Computer: einen Commodore 64. Schnell wollte ich mehr als nur Spiele zu spielen. Ich wollte lieber eigene Programme schreiben und lernen, wie so ein Computer eigentlich funktioniert. Vier Jahre später (ich war damals 17) baute ich mir aus den übrig gebliebenen Teilen eines C64 einen neuen Computer, den ich dann in Assembler programmierte. Während meines Elektrotechnik-Studiums in den 90er Jahren kam mir die Idee, eine CPU aus einfachen Logikgattern und ICs zu bauen. Ein paar Jahre später war MyCPU geboren. Dabei handelt es sich um einen Computer, der aus vielen Dutzend Logik-ICs aus CMOS-Logik-Varianten der 7400er-Serie gebaut wurde, und auf dem eine Version von C64-Basic läuft.
 
MyCPU erhielt auf Computerfestivals und Hobby-Messen viel Aufmerksamkeit, aber viele Interessierte scheuten davor zurück, sich selbst so etwas zu bauen, weil die Kosten für das komplette MyCPU-Projekt plus Peripherie schnell die Marke von 1.000 € erreichten. Deshalb beschloss ich (nach 20 Jahren), ein neues Projekt zu starten: Einen einfachen und möglichst preiswerten Computer, der komplett aus diskreten Teilen aufgebaut ist. Er sollte zwei Bedingungen erfüllen: Erstens sollte er ohne eine ALU (Arithmetic Logic Unit) auskommen, da der früher allgegenwärtige ALU-Chip 74LC181 nicht mehr erhältlich ist und Alternativen zu kompliziert geworden sind. Zweitens sollte er mit einem einzigen programmierbaren Speicher-IC (EEPROM) auskommen.
 
Mein neuer Computer verwendet für seine Arithmetik nur ein einziges NOR-Gate - eine extrem einfache Logikeinheit. Ich habe mich dafür entschieden, weil sie mit zwei MOSFETs und einem Widerstand leicht zu bauen ist (sieh folgendes Bild). Alle arithmetischen Operationen (wie AND, OR, EXOR, Addieren und Subtrahieren) werden in der Software durch Kombinationen vieler einzelner NOR-Operationen realisiert.

 
The heart of the MyNOR computer
Das Herzstück des MyNOR-Computers: Ein einzelnes, diskret aufgebautes NOR-Gatter.

Wegen des zentralen NOR-Gatters habe ich meinen neuen Computer MyNOR getauft. Es sind so wenige Bauteile erforderlich, dass die gesamte Schaltung auf eine Platine von 10 × 13 cm passt. Das nächste Bild zeigt das formale Porträt von MyNOR. In der rechten Bildhälfte sieht man, was sich wo auf der Platine befindet. Sie enthält auch ordentlich viel Peripherie: Ein 64 KB großes EEPROM als „Massenspeicher“. Außerdem sorgen 8 digitale Ein- und 24 digitale Ausgänge für die Kommunikation mit der Außenwelt. Mit diesen 32 I/Os lassen sich auch die üblichen Schnittstellen (RS232, I2C und SPI) in Software realisieren.
 

The final version of MyNOR
Der fertige MyNOR. Auf der rechten Seite sind die vielen Funktionen beschriftet.

Diskreter SBC

Dieser Einplatinen-Computer kann Erstaunliches leisten. Ich habe z.B. einen einfachen Taschenrechner in das Betriebssystem eingebaut, der über die RS-232-Schnittstelle bedient werden kann. Dieser Rechner dient in erster Linie als Beweis dafür, dass selbst Fließkomma-Operationen von einem einzigen NOR-Gate ausgeführt werden können! Weiterhin enthält das Betriebssystem ein einfaches Monitorprogramm, das die Eingabe von Assembler-Befehlen erlaubt. Auf diese Weise lassen sich eigene Assembler-Programme direkt auf MyNOR schreiben und im EEPROM speichern (ein bisschen im Stil des C64). Es ist natürlich auch möglich, ein komplettes Programm hochzuladen. Dies geschieht über eine Textdatei, die das Binärprogramm in einem speziellen Format darstellt. Ein bisschen Geduld ist erforderlich, denn eine Verbindung ist mit 2400 Baud nicht wirklich schnell.
 
Richtig spannend wird es, wenn dieser Einplatinen-Computer ohne die Nabelschnur zu einem PC eingesetzt wird. Zu diesem Zweck habe ich zwei Erweiterungsplatinen entwickelt. Die erste enthält 20 Taster, eine LED und acht 7-Segment-Anzeigen sowie die notwendigen Transistoren zu deren Ansteuerung. Die Anzeigen und Taster sind in der üblichen Weise gemultiplext. Den so aufgebauten „Taschenrechner“ benutze ich jeden Tag bei der Arbeit.

 

Mehr zu MyNOR?

Die vollständige Version dieses Artikels veröffentlichen wir in der Januar/Februar-Ausgabe 2021 von Elektor. Hier können Sie mehr über den Taschenrechner oder den Zahnbürsten-Timer zu erfahren, den der Autor mit dem MyNOR gebaut hat.
 


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