Natürlich weiß ich, dass Atmel jetzt unter dem Dach von Microchip weiterlebt. Trotzdem war ich etwas überrascht, auf meinem Schreibtisch ein Board mit der Bezeichnung Atmel ATtiny817 Xplained Mini zusammen mit einem USB-Stick von Microchip zu finden. Und was, glauben Sie, liest man am Ende der beiliegenden Pressemitteilung? Da steht: "For more information, visit Microchip’s Web site at www.atmel.com/tinyAVR". Leidet da jemand an Schizophrenie?

Grund genug für eine genauere Inspektion von Board und MCU.

Das quadratische Board misst 60 x 60 mm und verfügt an einer Seite über eine herausstehende microUSB-Buchse, was etwas merkwürdig aussieht. Dieser Appendix hat die Form und Größe der Zunge eines gewöhnlichen USB-Steckers des Typs A, lässt sich aber nicht in eine solche Buchse stecken, da ja eine microUSB-Buchse statt der Kontaktstreifen aufgelötet ist. Wir wissen nicht, was beim Entwickler dieser Konfiguration so im Kopf vorging.

Das Board hat außergewöhnlich viele Löcher, davon sind die mit quadratischen Pads zu Arduino-Shields kompatibel. Um einige andere Löcher sind weiße Rechtecke aufgedruckt. Das Board ist mit einer User-LED, einem Taster und zwei QTouch-Tastenfelder bestückt. Ein mEDBG (mini Embedded DeBuGger) erlaubt die Programmierung und das Debugging per AS7 (Atmel Studio 7). Geboten wird auch ein virtueller COM-Port (hierzu muss im Terminal-Programm DTR aktiviert werden). Viele Konfigurationen sind – per Lötkolben – wählbar.

Core Independent Peripherals
Mitten auf der Platine thront ein ATtiny817. Dieses Exemplar der neuen Generation an 8-bittigen tinyAVR-MCUs unterstützt VIPs (Core Independent Peripherals). Im Chip-Innenleben zeigten sich ebenfalls Symptome einer gespaltenen Persönlichkeit: Beim Core handelt es sich um einen klassischen AVR von Atmel, doch die „Independent Peripherals“ stammen aus der PIC-Welt von Microchip. Im Augenblick gibt es vier Chips aus dieser Familie: ATtiny817, ATtiny816, ATtiny814 und ATtiny417. Auf der Microchip-Webseite wird auch noch ein ATtiny416 erwähnt, aber die Atmel-Webseite kennt dieses Exemplar nicht. Im Datenblatt finden sich auch noch Hinweise auf einen ATtiny1616 und ATtiny1617, die vermutlich demnächst erscheinen dürften.

Die Serie tiny8xx verfügt über 8 KB Flash-Speicher und entsprechend kann man bei den tiny4xx-Typen mit dem halben Wert von 4 KB sowie bei den zukünftigen 16xx-Chips mit dem Doppelten =16 KB rechnen. Die zweite Stelle von rechts im Namen (hier die „1“) indiziert die eingebauten Funktionen, was zur Vermutung weiterer geplanter Familien berechtigt. Die letzte Stelle sagt etwas über die Pins aus: „7“ steht für 24 Pins, „6“ für 20 Pins und „4“ für 14. Denksportaufgabe: Was würde man bei einer „5“ erwarten?

Die MCUs sind mit Standard-Peripherie wie etwa Timer, USART, SPI, TWI (I²C), ADC etc. bestückt. Es finden sich aber auch weniger gebräuchliche Dinge wie ein 8-bit-DAC, CCL (Configurable Custom Logic) als „glue logic“, zwei programmierbare LUTs (LookUp Tables), programmierbare Logik und weitere Funktionen wie ein CRC-16-CCITT (CRC-Checker), ein Port-Multiplexer zur Rekonfiguration der Belegung einiger Pins plus ein ES (Event System). Mit Hilfe des ES ist die vom Core unabhängige Peripherie erst möglich. Es erlaubt per Event Generator auch eine Änderung einer Peripherie-Einheit, um Aktionen in anderer Peripherie (Event Users) durch Event-Kanäle ohne Einschaltung der CPU zu triggern.